Wie 3D-Druck das Wohnen revolutioniert

3D-Drucker bei der Arbeit: Diese Technologie könnte das Bauen revolutionieren. (Foto: TU München)

Roland
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Wer sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen will, steht in der Regel vor zwei Herausforderungen: Vom ersten Stein bis zur bezugsfertigen Immobilie vergeht viel Zeit – und der Hausbau kostet viel Geld. Beides könnte sich bald entscheidend ändern. Denn Häuser aus dem 3D-Drucker sind keine Fantasie versponnener Technologie-Freaks mehr. Schwäbisch Hall-Expertin Kathrin Milich zeigt den aktuellen Stand auf dem Weg von der Vision zur realistischen Perspektive des Bauens.

Es klingt spektakulär und sieht auch so aus: Nur 24 Stunden benötigte im vergangenen Jahr ein 3D-Drucker, um in der Nähe von Moskau ein Haus mit Wohnzimmer, Flur, Küche und Bad zu errichten. Das Video, das zeigt, wie der mobile Drucker aus einer Betonmischung Schicht für Schicht die Gebäudehülle errichtet, ist ein viraler Hit und wurde fast 3,5 Millionen Mal angesehen.

Um den Ausdruck bewohnbar zu machen, mussten dann natürlich doch noch menschliche Experten Hand anlegen. Sie setzten das Dach auf sowie die Fenster ein und isolierten das Haus. Dennoch belaufen sich die gesamten Baukosten für Rohbau plus Endfertigung laut der Firma Apis Cor, die den mobilen 3D-Drucker hergestellt hat, nur auf 9.500 Euro – das entspricht gerade mal 250 Euro pro m². Zum Vergleich: In Deutschland müssen private Bauherren laut Statistischem Bundesamt mit reinen Baukosten von rund 1.600 Euro pro m² rechnen – je nach Ausstattung können es schnell mehrere hundert Euro werden.

„2030 soll ein Viertel aller Häuser in Dubai
aus dem 3D-Drucker kommen.“
Dubai Future Foundation

Apropos Fläche: Schlaue Rechner haben natürlich längst gemerkt, dass das russische Modellhaus lediglich 38 m² Wohnfläche hat. Aber es geht durchaus ein paar Nummern größer: In Dubai steht das erste voll funktionsfähige Haus, dessen Teile – einschließlich der kompletten Inneneinrichtung – zu 100 Prozent im 3D-Drucker entstanden sein sollen. Ein 6 m hoher und 36 m langer Drucker benötigte 17 Tage (plus zwei Tage Montage) für das 250 m² große Eigenheim. Gesamtkosten laut Hersteller: umgerechnet knapp unter 120.000 Euro. In Dubai traut man der neuartigen Technologie viel zu: Bereits 2030, so plant die Dubai Future Foundation, soll dort ein Viertel aller Häuser aus dem 3D-Drucker kommen.

Aber nicht nur in Asien bewegt sich was. Tatsächlich sind die Aktivitäten im Bereich der „additiven Fertigung“ – wie der automatisierte Prozess des Drucks dreidimensionaler Objekte offiziell genannt wird – im Bauwesen in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. „Während man noch 2010 weltweit nur etwa ein halbes Dutzend Projekte zu diesem Thema zählen konnte, sind es heute weit über das Zehnfache“, sagt Klaudius Henke, der am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München selbst intensiv auf diesem Gebiet forscht.

Auf dem Internetportal 3Dnatives schätzen Experten, dass der weltweite Betonmarkt für 3D-Druck im Jahr 2021 voraussichtlich 50 Millionen Euro erreichen wird. Wobei die „Druckertinte“ nicht unbedingt Beton sein muss: In Amsterdam experimentiert man mit dem Druck von Bio-Kunststoff in Wabentechnik. An der ETH Zürich drucken Forscher nicht den Beton an sich aus, sondern ein dichtes dreidimensionales Metallgewebe, in das später der flüssige Beton verfüllt wird.
Hausbau ohne Mittagspause.

Die Vorteile von Häusern aus dem Drucker sind offensichtlich: Der 3D-Drucker braucht weder Schlaf noch Brotzeitpause, was die Baugeschwindigkeit deutlich erhöht und die Kosten ebenso spürbar senkt. Dazu werden der Materialausschuss und das Unfallrisiko minimiert. Dennoch rechnet Henke, der zu den Pionieren auf dem Forschungsgebiet zählt, zumindest in den nächsten zehn Jahren nicht mit einem Boom in Deutschland. Es sei „noch völlig offen, ob es am Ende tatsächlich der 3D-Druck des Eigenheims ist, der sich durchsetzen wird, oder eher eine Mischbauweise aus additiv gefertigten Elementen in Kombination mit konventionell hergestellten. Additive Fertigung macht ja nicht in jedem Fall Sinn, sondern vor allem dort, wo geometrisch komplexe Bauteile in kleinen Stückzahlen zu realisieren sind.“

Noch steckt die Entwicklung in den Kinderschuhen. „Wenn aber das menschliche Bedürfnis, sich ein Zuhause zu schaffen, auf innovative Technologie trifft, könnte das mittel- bis langfristig die Chance eröffnen, für deutlich mehr Menschen als bisher bezahlbares Wohneigentum möglich zu machen“, so Schwäbisch Hall-Expertin Kathrin Milich.

 

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