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Mit einem Bündel von Maßnahmen könnte die Zukunft auch für die Mittelschicht gerechter gestaltet werden. Und das ist auch bitter notwendig. Denn noch passiert es, dass selbst Ehepaare aus Kostengründen in unterschiedlichen Pflegeheime verlegt werden, wenn das Sozialamt in Vorleistung gehen muss. Ein Kommentar von Margit Winkler, IGB
Bis Ende 2018 werden rund 3,46 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Ende 2016 waren es noch rund 500.000 Menschen weniger, so der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GDV). Aktuell gehen die Babyboomer in den Ruhestand und ab 2035 rechnet die Bundesregierung damit, dass die Zahl der Pflegebedürftigen exorbitant ansteigt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung im kommenden Jahr voraussichtlich um 0,2 Prozentpunkte steigen werden. Dabei sieht er auch eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung.
Diese drei Fakten machen eines deutlich: der Pflege-Engpass rückt immer näher. Doch eine moderate Erhöhung des Beitrags wird die zusätzlichen Kosten wohl genau so wenig abdecken können, wie die weiteren diskutierten Maßnahmen zur Entlastung der Pflegeversicherung.
Diese Zusatzmaßnahmen werden diskutiert:
- Die Krankenkasse könnte medizinische Pflegebehandlungen bezahlen. Diese erwirtschaften aktuell Überschüsse.
- Der Bund könnte Zuschüsse für Investitionen und die Ausbildung von Pflegekräften geben.
- Eine zielgerichtete Zuwanderungspolitik könnte durch Beitragszahler aus dem Ausland die Kassen zusätzlich entlasten.
Streichung der Hinterbliebenenrente:
So stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Kürzung der Witwen/r-Rente sozial, gerecht und zeitgemäß ist. Könnte sie nicht zumindest im Pflegefall wegfallen? Aktuell kürzt der Staat die Rente und im gleichen Maß steigt der Elternunterhalt, den die Angehörigen zahlen müssen. Das betrifft nur die Bezieher der gesetzlichen Hinterbliebenenrente, nicht Beamte, nicht Bezieher anderer Rentenleistungen.
Voller Beitrag zur Pflegeversicherung als Rentner:
Wer in der Krankenkasse der Rentner (KVdR) ist, zahlt den hälftigen Beitrag zur Krankenkasse und den ganzen Beitrag für die Pflegeversicherung. Das gilt, obwohl die Höhe der Rente immer niedriger ausfällt, viele Anspruch auf Grundsicherung haben und sogar im Pflegefall weitergezahlt werden.
Finanzierung durch Versicherung bedeutet Umverteilung auf Reiche:
Deutschland hat sich für das Modell Versicherung und Schweden für das Modell Steuern entschieden. Bei der Versicherung zahlen alle Gehalts- und Rentenempfänger ein und haben später einen Anspruch auf Leistungen. Bei der Steuer werden Wohlhabende stärker als die Mittelschicht herangezogen und ein Leistungsanspruch besteht nicht. Manche sprechen daher von einer Umverteilung, da Reiche (über Vermögen oder Einkommen definiert) hierzulande aus dem Sozialsystem Leistungen erhalten ohne irgendeine Überprüfung der Notwendigkeit (wie bei Hinterbliebenenversorgung, bei der bereits bei rund 800 Euro monatlicher Einnahme die Kürzung beginnt).
Neuer Pflegefreibetrag für Wohlhabende:
Wer jemanden pflegt und anschließend erbt, dem wird ein zusätzlicher Pflegefreibetrag auf die Erbschaftsteuer von 20.000 Euro zugestanden. Seit letzten Jahr billigt der Gesetzgeber diesen zusätzlichen Freibetrag auch pflegenden Kindern zu. Bis auf den Ehepartner kommt damit jeder in den Genuss dieser Ersparnis. Doch um Steuern zu sparen, muss Vermögen geerbt werden. Kinder haben einen Freibetrag von 400.000 Euro. Nur wer mehr erbt, erhält das staatliche Geschenk.
Pflegeheime werden mehrheitlich von privaten Unternehmer geführt. Dabei sind Hauptkostenpunkt und damit die größte Möglichkeit der Ersparnis die Personalkosten. Die Mitarbeiter sind zum größten Teil auf Teilzeit- oder Minijob-Basis beschäftigt, sind im Durchschnitt 10 Jahre in der Altenpflege tätig und klagen häufig über körperliche Beschwerden. Muss Deutschland bei der Pflege seiner alten Menschen hohe Renditen erzielen oder sind vom Staat geführte Heime zweckmäßiger?
Berechnung Elternunterhalt
Sozialämter gehen in Vorlage bei der Bezahlung der Pflegeheime und machen durch Überleitungsanspruch die Kosten bei den Kindern geltend. In einem aufwendigen Verfahren klären die Mitarbeiter des Amtes, wer in welcher Höhe für seine Eltern zahlt. Dafür werden immer mehr Mitarbeiter gebraucht. Bei der Grundsicherung hingegen ist das Verfahren sehr einfach: Verdienen Kinder mehr als 100.000 Euro im Jahr, werden sie herangezogen.
Bei Kommunen steigen die Schulden – bei der Bevölkerung wächst das Vermögen
Wenn also die Bevölkerung in einer nie dagewesenen Größenordnung über Vermögen verfügt, warum sollte der Staat mehr bei der Pflege bezahlen? In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden Vermögensanlagen und Häuser, Lebenswerke der Betroffenen, nicht in die nächste Generation vererbt, sondern den Pflegekosten zum Opfer fallen.
Minister Spahn lehnt die Finanzierung der Pflege aus Steuermitteln ab. Die Eigenverantwortung müsse im Vordergrund stehen. Die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebedürftige Menschen weist darauf hin, dass dieses Risiko völlig unterschätzt wird. Das Pflegerisiko betrifft die Bevölkerungsgruppe der Babyboomer, die ab 2035 pflegebedürftig werden und aktuell das Rentenalter erreichen. Danach gibt es sowohl für Rente als auch für den Pflegefall wieder genügend Beitragszahler.
Autorin Margit Winkler ist Geschäftsführerin des Instituts GenerationenBeratung (IGB).
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