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Vor allem Geschäftsführer einer GmbH tragen oft schwer an den finanziellen Folgen einer Unternehmensinsolvenz. Pfefferminzia befragte Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Alexander Hartig von der Kanzlei Kübler nach dem Ablauf eines Insolvenzverfahrens und nach Schutzmechanismen für die Altersvorsorge von Selbstständigen.
Pfefferminzia: Haben Insolvenzen von Selbstständigen in den vergangenen Jahren zugenommen?
Alexander Hartig: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen geht seit Jahren zurück. Dies ist mit der in den vergangenen Jahren stetig guten Konjunktur begründet. Die Zeiten waren gewissermaßen noch zu gut für die Insolvenzverwalter. Zuletzt hatten wir in Deutschland im August 2018 nochmals ca. 5 Prozent weniger Fälle als im Vorjahresmonat. Die Branche rechnet aber aufgrund der eingetrübten Konjunkturaussichten mit einem Anstieg der Verfahren in der Zukunft.
Wie ist der Wissenstand der Betroffenen dazu?
Es gibt einerseits geschäftsführende Gesellschafter, oft im klein- oder mittelständischen Familienbetrieb. Diese sind bei einer Insolvenz doppelt im Feuer, einmal in ihrer Funktion als Gesellschafter und einmal als Geschäftsführer. Bei größeren Unternehmen gibt es häufiger die sogenannten Fremdgeschäftsführer, die keine eigenen Anteile an der Gesellschaft halten, aber dennoch im Falle einer Insolvenz auch mit dem Privatvermögen in Haftung genommen werden können. Beide Gruppen wissen nach unserem Eindruck kaum über die Folgen einer Insolvenz Bescheid. Sie sind landläufig der Meinung, bei einer GmbH hätten sie von den Gläubigern nichts zu befürchten, weil die Gesellschaft nur beschränkt in Höhe der Stammeinlage hafte.
Dem ist aber nicht so?
Nein, wenn ich dann als Insolvenzverwalter im Rahmen eines eröffneten Verfahrens Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer geltend mache, ist das Erstaunen relativ groß. Die zentrale Anspruchsnorm, die wir prüfen, ist der § 64 GmbH-Gesetz, der einen Anspruch der Gesellschaft auf Schadenersatz für Zahlungen des Geschäftsführers an Dritte bestraft, die in der Krisenzeit des Unternehmens geleistet wurden. Diese Zahlungen können unter Umständen durch den Insolvenzverwalter vom Geschäftsführer im Rahmen des Insolvenzverfahrens zurückgefordert werden. Hier gibt es zwar eine Privilegierung von Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind, zum Beispiel Löhne, Steuern und Arbeitnehmeranteile auf Sozialversicherungsbeiträge, gleichwohl sind es oft erhebliche Summen, die im Rahmen des Schadenersatzes geltend gemacht werden.
Wie wird im Falle einer Insolvenz schrittweise vorgegangen?
Ein Insolvenzantrag wird entweder von der Gesellschaft selbst, im Fall einer GmbH durch den Geschäftsführer, oder von einem Gläubiger durch einen sogenannten Fremdantrag gestellt. Letzterer kommt meist von Finanzämtern und Krankenkassen. Das Insolvenzgericht bestellt dann in der Regel einen Gutachter oder einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Im Anschluss an das sogenannte Antrags- oder Eröffnungsverfahren ergeht ein Beschluss des Insolvenzgerichts, der entweder die Eröffnung des Verfahrens mit Bestellung eines Insolvenzverwalters oder die Abweisung des Insolvenzantrags zum Inhalt hat.
Welche Fragen muss der Gutachter beantworten?
Erstens: Liegt ein Insolvenzgrund vor? Zweitens: Handelt es sich um einen laufenden Geschäftsbetrieb, ist dessen Fortführung möglich? Und drittens: Ist die potenzielle Insolvenzmasse ausreichend, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken? In dieser Gutachtenphase werden bereits mögliche Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer geprüft. Werden die erste und die dritte Frage bejaht – der häufigste Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit – dann eröffnet das Insolvenzgericht auf Empfehlung des Gutachters ein Insolvenzverfahren. In der Regel wird der Gutachter dann auch zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf ihn gehen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Geschäftsführung über. Sein gesetzlich vorgegebenes Ziel ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung.
Muss ein Geschäftsführer auch Zahlungseingänge zurückzahlen, die vor Antragstellung erfolgten?
Wenn das Unternehmen bereits seit längerer Zeit vor Antragstellung in der Krise also insolvenzreif war, werden auch Zahlungseingänge von Kunden, die auf einem debitorisch geführten Konto eingingen, bedeutsam. Solche Zahlungen muss der Geschäftsführer grundsätzlich separieren und auf einem Guthabenkonto sammeln. Versäumt er das, führt auch dies unter Umständen zur Haftung. Das übersteigt schnell die persönlichen Verhältnisse eines Geschäftsführers und hat häufig auch die Privatinsolvenz zur Folge. Ziel des Insolvenzverfahrens über das private Vermögen ist in aller Regel die Restschuldbefreiung, für deren Erlangung unter anderem die Abtretung aller pfändbaren Einkünfte für die Zeit der sogenannten Wohlverhaltensphase gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Insolvenzschuldner wird seine Verbindlichkeiten los, wenn er für die Dauer von sechs Jahren seine pfändbaren Einkünfte abtritt. Diese Frist kann auf Antrag um ein Jahr verkürzt werden, wenn die Insolvenzmasse für die Begleichung der Verfahrenskosten ausreicht. Eine Verkürzung der Abtretungsfrist auf nur drei Jahre nach Insolvenzeröffnung ist möglich, wenn 35 Prozent der Insolvenzforderungen beglichen werden können. Dies ist jedoch erfahrungsgemäß die Ausnahme.
Wie können Selbstständige ihre Altersvorsorge vor einer Insolvenz schützen?
Sie sprechen die geförderten Renten wie Riester oder Rürup an, die mir häufig begegnen. Insolvenzverwalter sind gesetzlich verpflichtet, in jedem Fall einzeln zu prüfen, ob dies wirklich unpfändbare Renten sind. Sie stehen unter einem Pfändungsschutz, der aber an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist. Die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes sind in den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt, die auch für das Insolvenzverfahren gelten.
Die vertraglichen Ansprüche sind dann unpfändbar und damit nicht dem Insolvenzverwalter zugänglich, wenn es eine lebenslange monatliche Zahlung ab Renteneintritt, keine Verfügungsbefugnis in Bezug auf den Vertrag, keine Bezugsberechtigung eines Dritten und keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit gibt. Außerdem ist die Fähigkeit der staatlichen Förderung der Beitragszahlungen ein Kriterium. Das ist bei den erhältlichen zertifizierten Produkten meist der Fall, bisweilen aber auch nur teilweise. Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 16. November 2017 (Aktenzeichen IX ZR 21/17) mit dem Thema auseinandergesetzt und entschieden, dass im Falle einer Insolvenz auch dann Verträge unpfändbar sein können, wenn eine vorzeitige Kündigung möglich ist.
Wörtlich heißt es in der Entscheidung:
„Wenn und soweit das in einem Altersvorsorgevertrag im Sinne der §§ 1, 5 AltZertG angesparte Kapital aus gefördertem Altersvorsorgevermögen, geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträgen oder gezahlten Zulagen stammt, ist es auch dann unpfändbar, wenn der Schuldner berechtigt ist, den Altersvorsorgevertrag jederzeit zu kündigen.“
„Die Unpfändbarkeit des angesparten Kapitals eines Altersvorsorgevertrags tritt nur ein, soweit der Altersvorsorgevertrag im Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, ein Antrag auf eine Zulage (§ 89 EStG) für die entsprechenden Beitragsjahre (§ 88 EStG) bereits gestellt war und die Voraussetzungen für eine Zulage (§§ 83 ff EStG) vorlagen oder eine Zulage bereits gewährt worden war.“
Der Pfändungsschutz der Verträge zu Gunsten der versicherten Personen wurde durch diese Entscheidung ausgeweitet. Wichtig ist jedoch, dass die vom Bundesgerichtshof sehr genau definierten Voraussetzungen des Pfändungsschutzes vorliegen. Hier sind die Versicherer im Rahmen der Produktgestaltung gefragt.
Gibt es noch andere Möglichkeiten für eine insolvenzfeste Altersvorsorge?
Keine rechtssicheren. Altersvorsorge kann beispielsweise auch in Form einer vorhandenen Immobilie bestehen. Ein klassisches Beispiel: Man kann ein Haus zur Vermeidung des Zugriffs durch den Insolvenzverwalter grundsätzlich auf den Ehepartner oder andere nahestehende Personen übertragen. Doch auch dort können Vermögensverschiebungen, die vor der Insolvenzantragstellung stattfanden, durch den Insolvenzverwalter rückgängig gemacht werden. Die Frist bei unentgeltlichen (schenkweisen) Vermögensübertragungen beträgt vier Jahre. Ist der Vermögensgegenstand vor mehr als vier Jahren vor Antragstellung übertragen worden, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich keinen Zugriff mehr. Aber natürlich besteht dann immer das gänzlich außerhalb des Insolvenzrechts liegende Risiko, dass aus dem Ehepartner ein Ex-Partner wird und dieser einem später nicht mehr wohlgesonnen ist. Was dann wirksam übertragen wurde, ist ganz ohne Zutun eines Insolvenzverwalters weg. Ich rate von derartigen Vermögensverschiebungen im Vorfeld daher ab, da allein die relativ lange Frist von vier Jahren für die Rückübertragungsverpflichtung und die rechtlichen Nebenwirkungen der Übertragung außerhalb des Insolvenzrechts erhebliche Risiken hervorrufen.
Vielen Dank an die Pfefferminzia