Dieselklagen: Verbraucherschützer und Volkswagen verhandeln über einen Vergleich

Volkswagen öffnet sich für Vergleich mit Diesel-Kunden

Roland
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Möglicher Vergleich bringt Schwung in Dieselklagen

Im VW-Abgasskandal könnten die Aktenstapel bei den Gerichten demnächst vielleicht kleiner werden. Der Verbraucherschützer und Volkswagen verhandeln über einen Vergleich, um Dieselkunden zu entschädigen. Ein Ergebnis könnte Signalwirkung haben.

Es war ein Paukenschlag am ersten Arbeitstag des neuen Jahres. Da teilten der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Volkswagen mit, dass sie über einen Vergleich in der sogenannten Musterfeststellungsklage verhandeln. Seitdem können zumindest die rund 440.000 Musterkläger damit rechnen, dass sie zügig entschädigt werden. Der Leiter der Juristischen Zentrale beim ADAC, Markus Schäpe, sagte im BR-Fernsehen:

 

„Bei der Musterfeststellungsklage ging man davon aus, dass das Ganze mindestens zwei bis drei Jahre dauern wird. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir in einem halben Jahr tatsächlich einen Vergleichsvorschlag auf dem Tisch haben und es dann sehr schnell gehen kann.“ Markus Schäpe, ADAC

 

Verjährung erleichtert Vergleichsbereitschaft

An den zwei Verhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht Braunschweig hatte sich VW bislang hart gezeigt und einen Vergleich als „kaum vorstellbar“ ausgeschlossen. Im Gegensatz zu den USA und Australien habe VW in Deutschland nicht gegen Gesetze verstoßen und müsse die VW-Kunden deshalb nicht entschädigen. Rund zwei Millionen Dieselbesitzer ließen sich davon möglicherweise beeindrucken und klagten nicht. Mit Ablauf des Jahres 2019 sind deren Ansprüche verjährt. Das Prozessrisiko wird für Volkswagen eingrenzbar.

Massenverfahren schlecht für das Image

Möglicherweise zeigte auch das Massenverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig Wirkung. Die schiere Zahl der Klagenden und das öffentliche Interesse könnten den Autokonzern zusätzlich bewegt haben, vergleichsbereit zu sein. Zumal dieses neue Verfahren sicher nicht beim OLG Braunschweig enden würde. Eine der Parteien würde Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. Dann würden noch weitere zwei bis drei Jahre vergehen. Auch der Vorsitzende Richter Michael Neef hatte am zweiten Verhandlungstag im November an VW appelliert:

 

„Sie sollten versuchen, einen Vergleich zu finden. Die Kunden würden es auch Ihnen danken, wenn das Verfahren abgekürzt würde. Und sich vielleicht mal wieder für ein Konzernauto entscheiden.“ Vorsitzender Richter Michael Neef, OLG Braunschweig

 

Immerhin steht VW nach eigenen Angaben vor einem fundamentalen Umbruch zum E-Mobilitätsanbieter. Da will sich der Konzern von den Altlasten befreien. Es geht darum, Rechtssicherheit zu bekommen.

Druck durch Musterfeststellungsklage

Das neue Rechtsinstrument der Musterfeststellungsklage gibt es erst seit November 2018. Dieses Gesetz kann als „Lex Volkswagen“ bezeichnet werden, da es auch dazu gedacht war, den vielen VW-Dieselkunden ein Rechtsinstrument an die Hand zu geben, das einfach und ohne Kostenrisiko ist. Entsprechend füllte sich das Klageregister schnell bis zur Zahl 440.000. Von denen sind allerdings manche, zum Teil aus formalen Gründen, wieder ausgeschieden.

Unzählige Einzelklagen

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in Deutschland ein Gericht ein neues Urteil im VW-Dieselskandal fällt. Es gibt mehr als zwei Millionen Kunden, die ein Fahrzeug mit dem VW-Dieselmotor EA 189 erworben hatten, der bei VW, aber auch bei den Konzernmarken Audi, Skoda und Seat verbaut wurde. Über 60.000 Besitzer klagten gegen die Hauptmarke, aber auch gegen die Konzerntöchter und gegen die Händler, bei denen sie das Auto gekauft hatten. Dabei verlangten sie in der Regel Schadenersatz und eine Rückabwicklung des Vertrags. Entsprechend sind viele Gerichte quer durch die Bundesrepublik mit diesen Verfahren beschäftigt. Einige Rechtsdienstleister boten ebenfalls ihre Dienste an. Da sinkt das Prozessrisiko für die Betroffenen. Werden sie entschädigt, behält die Anwaltsfirma einen Teil der Summe als Honorar ein.

 

Aussichten für eine Entschädigung gestiegen

Noch 2018 gab es ein sehr uneinheitliches Bild. In manchen Urteilen siegten die VW-Besitzer, in anderen der Konzern. Zwar ist die Rechtsprechung nach wie vor uneinheitlich, doch es gibt zwischenzeitlich mehr verbraucherfreundliche Urteile. Laut einer Untersuchung des Regensburger Juraprofessors Michael Heese von Oktober 2019 musste VW an 98 von 115 Landgerichten in Deutschland Niederlagen einstecken. Bezogen auf die Zahl der Fälle hatte der ADAC 2018 gemeldet, dass es 730 verbraucherfreundliche Entscheidungen gab.

Nur wenige Entscheidungen von Oberlandesgerichten

Soweit die Dieselbesitzer verloren und in Berufung gingen, urteilten die Oberlandesgerichte überwiegend zugunsten der Betroffenen. Nach den Erkenntnissen des Juraprofessors Heese waren das 13. Ausnahme ist hier das OLG Braunschweig, das einen Schadenersatzanspruch für einen Dieselbesitzer ablehnte, weil es dafür keine rechtliche Grundlage gebe. Die Kläger legten aber Revision ein, so dass der Bundesgerichtshof wohl im Mai urteilen wird.Die Zahl obergerichtlicher Entscheidungen ist im Verhältnis zu der Klageflut vor den Landgerichten deshalb so gering, weil sich VW nach einer Berufung häufig mit den Klägern einigt und eine gewisse Entschädigungssumme zahlt. Es ging dem Konzern offenbar aus prozesstaktischen Gründen auch darum, eine zu frühe Grundsatzentscheidung zu vermeiden.

 

Höhe der Entschädigung offen

Sollte es zu einem Vergleich zwischen vzbv und Volkswagen kommen, ist noch völlig offen, in welcher Höhe die Kunden entschädigt werden. Die Summen dürften aber nicht so hoch sein wie in den USA. Dort hatte VW die Besitzer größerer Dieselfahrzeuge mit bis zu 40.000 US-Dollar entschädigt. Bei den bisherigen Vergleichen mussten sich die Kläger anrechnen lassen, dass sie das Auto nach Aufspielen des Software-Updates weiter nutzen konnten. Die Beträge bewegten sich entsprechend um 5.000 Euro pro Auto. Hochgerechnet auf 400.000 Massenkläger ergäbe dies einen Betrag von rund zwei Milliarden Euro. Dieser Betrag wäre für Volkswagen mehr als verkraftbar. Allerdings gibt es weitere Risiken: Sollten Kläger mit dem Vergleich zwischen vzbw und VW nicht einverstanden sein, können sie diesen ablehnen. Sie hätten dann die Möglichkeit, selbst noch einmal gegen VW vorzugehen. Die Verjährung gilt für sie nicht, da diese durch ihre Beteiligung am Musterverfahren gehemmt war.

Quelle:

Bayerischer Rundfunk

Anstalt des öffentlichen Rechts
Rundfunkplatz 1
80335 München

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