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Der Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard schlägt auch Wochen nach dem Insolvenzantrag noch hohe Wellen. Zwischenzeitlich war der Kurs der Aktie auf knapp 1 Euro gefallen. Vor wenigen Wochen notierte sie noch bei knapp 140 Euro. test.de sagt, worauf Sie als Anleger jetzt achten sollten. Achtung: Nutzer der virtuellen Kreditkarte Boon können nur noch bis 3. Oktober damit zahlen.
Wirecard in Bedrängnis
Die Verantwortlichen des Zahlungsdienstleister Wirecard hatten kürzlich zugeben müssen, dass ein – in den Büchern des Unternehmens geführter – Betrag von 1,9 Milliarden Euro „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht existiere. Es handelt sich dabei um rund ein Viertel der Bilanzsumme. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt unter anderem wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung und Marktmanipulation. Hier finden Sie Antworten auf die nun wichtigsten Fragen.
Welche Folgen hat die Pleite für Wirecard-Aktionäre?
Aktionäre sind rechtlich Teilhaber an Unternehmen und müssen entsprechend auch mit Verlusten rechnen. Auch dieser krasse Fall fällt damit unter das unternehmerische Risiko. Ein Verkauf der Aktien ist über die Börse möglich – für viele mit horrendem Verlust.
Wie groß sind die Schäden für Fondsanleger?
Betroffen sind auch Fondsanleger, allerdings nur in geringerem Maße. Fonds investieren in eine Vielzahl von Unternehmen, sodass selbst der Ausfall eines ganzen Unternehmens selten stark ins Gewicht fällt.
Dax. So sind etwa die Auswirkungen auf den deutschen Leitindex Dax moderat, weil Wirecard auch bei Kursen von über 100 Euro dort nicht viel mehr als 1 Prozent ausmachte. Einige Fondsmanager haben die Wirecard-Aktie insbesondere in Deutschland-Fonds deutlich höher gewichtet, sodass Anleger bei aktiv gemanagten Fonds mitunter stärker in Mitleidenschaft gezogen wurden.
TecDax. Deutliche Spuren zeigten sich im TecDax, der die 30 wichtigsten einheimischen Technologieaktien zusammenfasst. Wirecard war darin zwischenzeitlich mit rund 10 Prozent Anteil ein Schwergewicht. Der TecDax verpasste daher größtenteils die Rallye seines US-amerikanischen Pendants, des Nasdaq 100. Dieser Index hat trotz Corona-Krise ein neues Allzeithoch erklommen.
MSCI World. Für ETF-Anleger, die breit gestreut in den globalen Aktienmarkt investieren, hatte die Wirecard-Pleite dagegen so gut wie keine Auswirkungen. Die Aktie war unter den mehr als 1 600 Indexmitgliedern des MSCI World eine so kleine Nummer, dass ihr Niedergang im Indexverlauf nur bei detaillierter Analyse zu erkennen ist.
Ich habe einen Dax-ETF. Sind Wirecard-Aktien dort noch enthalten?
Ja, und zwar so lange, bis die Wirecard-Aktie aus dem Dax fliegt. Noch bleibt sie dort jedoch gelistet. Ein Insolvenzverfahren sei kein Grund für einen außerplanmäßigen Ausschluss, teilt die Deutsche Börse mit. Wirecard wird voraussichtlich noch bis zum 3. September 2020 im Dax bleiben. Erst dann steht die nächste turnusmäßige Überprüfung an, bei der Anpassungen möglich sind. Über die Mitgliedschaft im Index entscheiden die Höhe des Börsenwertes bezogen auf die frei handelbaren Aktien sowie der tägliche Handelsumsatz.
Der Börsenwert von Wirecard liegt nach dem Kurscrash längst weit unterhalb des Dax-Niveaus. Dennoch ist ein vorzeitiger Austausch nach den aktuellen Regeln der Deutschen Börse nicht möglich. Der Indexbetreiber wird allerdings als Konsequenz des Wirecard-Skandals das Regelwerk voraussichtlich verändern. Die Wirecard-Aktie hatte im Juni 2020 innerhalb weniger Tage mehr als 95 Prozent ihres Börsenwertes verloren.
Sollte ich mich als Wirecard-Aktionär an einen Rechtsanwalt wenden?
Je nach Verlauf des Insolvenzverfahrens und den Ermittlungen zur Ursache der Pleite kann es sinnvoll sein, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Ob solche Forderungen Chancen haben, ist derzeit aber nicht absehbar. Zudem ist unklar, ob überhaupt Geld zur Verfügung steht, um etwaige Schadenersatzforderungen auszugleichen. Falls kein Firmengeld mehr zur Verfügung steht, wäre es auch bei günstiger Sach- und Rechtslage nicht sinnvoll, kostspielige rechtliche Schritte einzuleiten. Für die Anmeldung von Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens allein werden Sie keinen Anwalt brauchen. Das können Sie selbst.
Unser Rat: Warten Sie ab. Sollten sich rechtliche Schritte lohnen, wird die Stiftung Warentest darauf hinweisen. Ansonsten können Sie auch die Nachrichten und die Hinweise verfolgen, die seriöse Anlegeranwälte zur Wirecard-Pleite veröffentlichen.
Kann ich die Verluste steuerlich absetzen, wenn ich meine Aktien jetzt an der Börse verkaufe?
Ja, eine Verlustverrechnung ist möglich. Allerdings können Sie Verluste aus Aktienverkäufen ausschließlich mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnen. Sollten Sie in diesem Jahr keine Gewinne aus Aktienverkäufen haben, trägt die depotführende Bank den Verlust in die Folgejahre fort. Eine Verlustverrechnung mit Dividenden oder Zinsen ist hingegen nicht möglich.
Haben Sie ihr Geld bei mehreren Banken angelegt, müssen Sie selbst aktiv werden. Eine institutsübergreifende Verlustverrechnung erreichen Sie nur über die jährliche Steuerveranlagung. Dazu müssen Sie bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres bei ihrer Bank eine Verlustbescheinigung anfordern, eine Ergänzung zur normalen Jahressteuerbescheinigung.
Ausführlichere Infos finden Sie in dem Special Verluste steuerlich nutzen.
Welche Folgen hat die Pleite für Nutzer der virtuellen Prepaid-Kreditkarte von Boon?
Boon ist ein Zahlungsverfahren per App für Smartphones oder Smartwatches und für Online- und In-App-Zahlungen. Vertragspartner ist die britische Wirecard Card Solutions Limited (WDCS). Sie betreibt hauptsächlich E-Geld-Geschäfte und die damit verbundenen Zahlungsdienste. Sie gehört zum Wirecard-Konzern.
Boon teilte am 3. August mit, der Betrieb würde zum 3. Oktober eingestellt. Bis dahin können Zahlungen noch wie gewohnt vorgenommen werden. Boon bittet seine Kunden, das Guthaben bis zum Stichtag aufzubrauchen. Zwar könnten sich Kunden ihr Guthaben auch erstatten lassen. Das könne aber einige Zeit dauern, da der Kundenservice bereits jetzt stark ausgelastet sei. Ist nach dem 3. Oktober noch Guthaben auf der Kreditkarte vorhanden, verlangt Boon eine Gebühr von 2,50 Euro monatlich.
Verbraucher, die Boon in einer Bezahl-App wie Google Pay, Apple Pay oder Garmin Pay als Zahlungsmittel hinterlegt haben, können im Regelfall auch andere Bezahlverfahren integrieren.
Was ist mit dem virtuellen Bankkonto boon.planet?
Das virtuelle Bankkonto Boon.planet ist von der Wirecard-Pleite bisher nicht betroffen. Laut einer Mitteilung der Wirecard AG vom 27. Juni 2020 ist der Zahlungsverkehr der Wirecard Bank, die das virtuelle Girokonto betreibt, aktuell nicht vom Insolvenzverfahren betroffen. Das Guthaben der Kunden ist durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken geschützt, pro Sparer bis zu 100 000 Euro. Zusätzlich ist die Wirecard Bank Mitglied im Einlagensicherungsfonds der privaten Banken.