Vorsorge und Absicherung: Irrtümer zur Lebensversicherung
Lebensversicherung: Mit mehr als 83 Millionen Verträgen liegt bei den Lebensversicherern ein Riesenbaustein der Vorsorge und Absicherung der Menschen in Deutschland. Auf dem Gipfelpunkt ihres Geschäfts im Jahr 2005 hatten die Versicherungsgesellschaften sogar gut 94 Millionen Policen in ihrem Bestand – viel mehr Verträge als das Land damals Einwohner hatte. Doch allzu oft wissen Kunden gar nicht genau, was ihr Vertrag leistet. Oder sie haben einen Vertrag geschlossen, der nicht die gewünschte Leistung bietet. In Zeiten der Niedrigzinsphase sind immer mehr Sparerinnen und Sparer enttäuscht über die Auszahlung, wenn diese nach vielen Jahren des Einzahlens endlich fällig wird. Auch rund um Steuern und Sozialabgaben gibt es Missverständnisse. Die Altersvorsorgeexperten der Stiftung Warentest klären 12 häufige Irrtümer auf.
Unser Rat
Bestehender Vertrag. Haben Sie bereits einen Vertrag, halten Sie ihn durch. Wenn er schon länger als fünf Jahre läuft, sind meist die Abschlusskosten bezahlt und es fließt nun mehr von Ihrem Beitrag in Ihren Spartopf.
Vertrag optimieren. Es gibt drei Möglichkeiten, Ihren Vertrag zu optimieren. Sie können den Beitrag jährlich im Voraus zahlen, statt monatlich, so wird er besser verzinst. Wenn Sie auf den Zusatzschutz einer Hinterbliebenenrente verzichten, erzielen Sie eine höhere Altersrente oder Kapitalauszahlung. Streichen Sie zehn Jahre vor Vertragsende die dynamische Beitragserhöhung, sinken die Kosten.
Neuer Vertrag. Schließen Sie zur Altersvorsorge keine Kapitallebensversicherung und keine der neu angebotenen privaten Rentenversicherungen mit abgesenkten Garantien ab („Neue Klassik“ und Indexpolicen). Sie erfahren nicht, wie viel vom Beitrag wirklich gespart wird. Außerdem ist die bei Vertragsschluss garantierte Leistung zu niedrig.
Vertragsprüfung. Sie können Ihren Vertrag von der Verbraucherzentrale Hamburg prüfen lassen. Dies kostet 85 Euro. Sie prüft unter anderem, ob die Rendite plausibel ist.
1. Alle gezahlten Einzahlungen in meine Kapitallebensversicherung werden verzinst und bringen Ertrag
Das stimmt nicht. Sowohl bei einer Kapitallebensversicherung als auch bei einer privaten Rentenversicherung wird nur ein Teil Ihrer Einzahlungen, also Ihres Beitrags, gespart. Ein anderer Teil fließt in den Risikoschutz, ein weiterer geht für Kosten ab. Der Risikoschutz kann neben dem Todesfallschutz auch noch eine Leistung für den Fall einer Berufsunfähigkeit sein. Dies können Kunden im Vertrag vereinbaren. Doch diese Zusatzleistungen kosten Geld. Auch für den Abschluss und die Verwaltung eines Vertrags ziehen die Versicherungsunternehmen Geld von den Beiträgen ihrer Kunden ab. Verzinst wird nur das Geld, das übrig bleibt. Ein Garantiezins von 0,9 Prozent für neu abgeschlossene Verträge sieht zunächst angesichts von Nullzinsen für andere Sparprodukte gar nicht so schlecht aus. Doch bei teuren Versicherern kann die Rendite negativ sein. Der Neuabschluss einer Kapitallebensversicherung ist nicht mehr attraktiv.
2. Bei einer Rentenversicherung kann ich mich bis zum Ende der Sparphase für eine Kapitalzahlung statt für eine monatliche Rente entscheiden
Stimmt leider nicht immer. Es kommt auf die Vertragsbedingungen an. Ist dort ein Kapitalwahlrecht für das Ende der Sparphase vereinbart, können Sie sich bis kurz vor Rentenbeginn entscheiden, ob Sie Ihr Erspartes lieber als monatliche Rente oder auf einen Schlag haben möchten.
Tipp: Auch eine Teilkapitalzahlung ist möglich. Brauchen Sie eine größere Summe für eine Anschaffung, können Sie sich dafür einen Teil des angesparten Guthabens auszahlen lassen und den anderen Teil als Rente bekommen.
3. Wer seinen Vertrag bei einem Versicherer abgeschlossen hat, bekommt von diesem dann auch die Leistung.
Dafür gibt es keine Garantie. Lebensversicherer wie die Generali haben ihren Bestand an Abwicklungsplattformen verkauft (Kunden verkauft – was nun?). Diese werden auch Run-off-Gesellschaften genannt. Betroffen sind nicht nur Kunden mit privaten Renten- oder Lebensversicherungen, sondern auch solche mit Riester– und Rürup-Verträgen. Die Kunden wurden nicht gefragt, ob sie dem Verkauf zustimmen. Ihre Zustimmung ist nicht vorgeschrieben. Die staatliche Versicherungsaufsicht Bafin hat die Verkäufe von Beständen bisher immer genehmigt. Zuvor hat sie geprüft, ob die „Belange der Versicherten gewahrt“ sind. So bleiben die bisher den Kunden fest gutgeschriebenen Überschüsse erhalten. Ihre künftige Überschussbeteiligung ist jedoch ungewiss.
4. Wenn mein Versicherer insolvent wird, ist meine Auszahlung futsch
Nein, glücklicherweise nicht. Es gibt einen gesetzlich vorgeschriebenen Pleiteschutz. Wird ein Versicherer insolvent, übernimmt der Sicherungsfonds Protektor AG die Verträge und steht wenigstens für die garantierte Leistung gerade.
5. Mit einer Lebensversicherung mit Garantiezins kann ich keinen Verlust machen
Das stimmt nicht. Bei Versicherern mit hohen Kosten und schlechtem Anlageerfolg sind Verluste möglich, sowohl bei einer Kapitallebensversicherung als auch bei einer privaten Rentenversicherung. Dann erhalten Kunden sogar weniger als ihre eingezahlten Beiträge. Vor Verlust geschützt sind Kunden mit einer Riester-Rentenversicherung. Hier gilt eine Garantie, dass zu Rentenbeginn die eingezahlten Beiträge und die erhaltenen staatlichen Zulagen vorhanden sind.
6. Lebensversicherung: Auf die Überschussbeteiligung, die mir bei Vertragsbeginn zugesagt wurde, ist Verlass
Nein. Verlassen können Sie sich nur auf die Verzinsung Ihres Sparanteils, die Ihnen bei Vertragsschluss garantiert wurde. Den größten Anteil an den Überschüssen einer Lebensversicherungsgesellschaft macht der Zinsüberschuss aus. Vom Zinsgewinn aus Kapitalanlagen muss die Gesamtheit aller Kunden eines Versicherers mindestens 90 Prozent bekommen. Für jeden einzelnen Kunden ist sein Anteil bis zum Ende der Sparphase ungewiss. Die bei Vertragsschluss vom Unternehmen gegebenen Zusagen sind unverbindlich. Ungewiss ist auch, wie viel Kunden aus dem Risikoüberschuss bekommen werden. Dieser entsteht, wenn der Versicherer weniger Geld für Todesfallleistungen ausgeben muss als kalkuliert. Auch die Überschüsse, die jeder einzelne Kunde am Ende der Vertragslaufzeit aus Kostengewinnen erhält, stehen bei Vertragsschluss noch in den Sternen.
7. Lebensversicherung: Die Auszahlung aus einer Kapitallebensversicherung muss immer versteuert werden
Nein, es kommt auf das Abschlussjahr des Vertrags an. Haben Sie ihn vor dem Jahr 2005 abgeschlossen, mindestens fünf Jahre lang Beiträge gezahlt und einen Mindesttodesfallschutz vereinbart, zahlen Sie auf die Kapitalzahlung keine Steuern. Bei Verträgen ab dem Jahr 2005 müssen Sie Abgeltungsteuer auf den Ertrag zahlen – es sei denn, der Vertrag ist mindestens zwölf Jahre gelaufen und Sie sind bei Auszahlung mindestens 60 Jahre alt (62 Jahre bei Vertragsschluss ab 2012). Dann müssen Sie nur die Hälfte des Ertrags mit Ihrem individuellen Steuersatz versteuern.
8. Für das Geld aus Lebens- oder Rentenversicherungen sind keine Krankenversicherungsbeiträge fällig
Das ist meistens richtig, aber nicht immer. Bezieher einer gesetzlichen Rente, die nicht privat krankenversichert sind, gehören grundsätzlich der Krankenversicherung der Rentner an. Pflichtversicherte zahlen weder auf die private Rente noch auf eine Kapitalzahlung Beiträge. Wer die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nicht erfüllt, aber in der Krankenversicherung der Rentner freiwillig gesetzlich versichert ist, zahlt im Schnitt einen Beitragssatz von gut 15 Prozent plus Pflegeversicherung (mehr in unserem Special Diese Abgaben zahlen Sie auf Ihre Rente).
9. Eine Rentengarantiezeit von zehn Jahren heißt, dass meine private Rente nur garantiert zehn Jahre lang gezahlt wird
Nein, das stimmt nicht. Sie erhalten die Rente nicht bloß zehn Jahre lang, sondern lebenslang. Dies ist wohl der größte Vorteil einer privaten Rentenversicherung: Das Geld wird nie „alle“, die monatliche Zahlung fließt bis zum Lebensende – garantiert. Die Rentengarantiezeit wird erst im Fall Ihres Todes relevant. Ihre volle Rente wird dann ab Rentenbeginn zehn Jahre lang an Ihre Hinterbliebenen überwiesen.
Tipp: Eine Rentengarantiezeit von zehn Jahren sollte Ihr Vertrag auf jeden Fall enthalten, damit jemand, den Sie im Vertrag festlegen können, profitiert – falls Sie schon kurz nach Rentenbeginn sterben. Dieser Schutz kostet nicht viel. Eine Hinterbliebenenrente, die Witwe, Witwer oder eine andere Person lebenslang bekäme, ist dagegen teuer und schmälert Ihre Altersrente erheblich.
10. Jeder braucht eine Kapitallebensversicherung, um im Todesfall die Familie abzusichern
Dies ist ein Irrtum. Der richtige Schutz für Hinterbliebene ist eine Risikolebensversicherung. Wenn der Hauptverdiener stirbt, bekommen die so Abgesicherten – Kinder, Partner oder Partnerin oder eine andere benannte Person – die vereinbarte Versicherungssumme. Im Vergleich zur teureren Kapitallebensversicherung, die Risikoschutz und Sparvertrag intransparent und teuer koppelt, handelt es sich bei der Risikolebensversicherung um einen reinen Todesfallschutz. Er ist sehr sinnvoll und relativ günstig.
11. Die von Versicherern seit wenigen Jahren unter dem Oberbegriff „Neue Klassik“ angebotenen Verträge mit abgesenkten Garantien bieten mehr Ertrag als traditionelle Verträge mit maximalem Garantiezins
Das ist völlig ungewiss. Sicher ist nur die garantierte Leistung. Und die ist geringer als die bei Verträgen mit dem maximalen Garantiezins. Unser jüngster Vergleich Private Rentenversicherung hat ergeben, dass es sich nicht lohnt, in der Hoffnung auf höhere Überschüsse auf Garantien zu verzichten. Es gab keine guten Angebote mit weniger Garantie.
12. Wenn ich nicht mehr einzahlen kann oder will, kann ich nur den Vertrag beitragsfrei stellen oder ihn kündigen
Nein, Sie haben eine dritte Möglichkeit: Sie können die Police verkaufen. Halten Sie aber einen seit vielen Jahren laufenden Vertrag möglichst durch. Für Ihren Sparbeitrag erhalten Sie noch eine gute garantierte Verzinsung.
Beispiel: Bei einen 2004 abgeschlossenen Vertrag sind 2,75 Prozent auf den Sparbeitrag garantiert. Wenn Sie den Vertrag dennoch zu Geld machen wollen oder müssen, weil Sie das Geld dringend benötigen, können Sie ihn auf dem sogenannten Lebensversicherungszweitmarkt verkaufen. Das kann besser sein, als den Vertrag zu kündigen. Vom Aufkäufer der Police erhalten Sie dann mehr als den Rückkaufswert vom Versicherer.
Tipp: Holen Sie Angebote von mehreren Aufkäufern ein und achten Sie darauf, dass Sie den Kaufpreis sofort in einer Summe erhalten, nicht in Raten. Adressen von Aufkäufern finden Sie im Internet.