Abstrakte Verweisung - was bedeutet das?

Wenn die Berufs­unfähigkeit eintritt

Was passiert, wenn ich berufs­unfähig werde, während ich arbeitslos oder in Eltern­zeit bin?

In der Regel spielt der Grund für eine Auszeit (Eltern­zeit, Arbeits­losig­keit, Sabbat­jahr) keine besondere Rolle. Einige Versicherer schränken den Verzicht auf die sogenannte „abstrakte Verweisung“ nach einer längeren Berufs­pause ein. Abstrakte Verweisung bedeutet: Bei Berufs­unfähigkeit kann die Leistung mit der Begründung verweigert werden, dass der Betroffene theoretisch noch eine andere, gleich­wertige Arbeit gesundheitlich bewältigen könnte. Oft stellen die Versicherer aber darauf ab, ob der Versicherte trotz einer längeren zeitlichen Unter­brechung noch am Arbeits­markt vermittel­bar wäre. Dann wird aufgrund des konkreten Berufs­bildes geprüft, welchen Einfluss die Unter­brechung auf die Arbeits­markt­chancen des Versicherten hätte. Bei Berufs­bildern, bei denen das gelernte Wissen schnell veraltet ist, wie zum Beispiel in der Computerbranche, senken Unter­brechungen die Arbeits­markt­chancen erheblich und können dazu führen, dass die Möglich­keit der Verweisung auf einen anderen Vorberuf besteht. Kunden sollten die Rege­lungen in den Bedingungen genau lesen. In der Regel werden Versicherte, die ihre Berufs­tätig­keit bis drei oder fünf Jahre, manchmal sogar ohne Frist, genauso behandelt als wären sie bei Eintritt der Berufs­unfähigkeit berufs­tätig gewesen.

Fallen auf die Berufs­unfähigkeits­rente Beiträge für die Kranken- und Pflegekasse an?

Das hängt davon ab, ob der Berufs­unfähige freiwil­liges Mitglied der gesetzlichen Kranken­versicherung ist oder Pflicht­mitglied. Weiterhin kommt es darauf an, ob es sich um die Auszahlung aus einer privaten Berufs­unfähigkeits­versicherung, einer betrieblichen Vorsorge oder eine Erwerbs­minderungs­rente der gesetzlichen Renten­versicherung handelt. Auf eine private Berufs- oder Erwerbs­unfähigkeits­rente fallen bei pflicht­versicherten Kassen­mitgliedern keine Beiträge an. Nur bei den wenigen freiwil­lig gesetzlich versicherten Rentnern wird die gesamte wirt­schaftliche Leistungs­fähig­keit berück­sichtigt. Dazu gehören auch die Rentenzah­lungen im Rahmen einer privaten Berufs­unfähigkeits­rente. Ist die Beitrags­bemessungs­grenze nicht erreicht, zählen auch „sons­tige Einnahmen, die die wirt­schaftliche Leistungs­fähig­keit des freiwil­ligen Mitglieds bestimmen“. Dazu können dann auch Auszahlungen aus der privaten oder betrieblichen Berufs­unfähigkeits­rente gehören, wenn die Satzung der Kasse dies so vorsieht. Gesetzliche und betriebliche Versorgungs­leistungen unterliegen bei allen Mitgliedern der Beitrags­pflicht der Krankenkassen. Auch auf gemischte betriebliche Renten (Beginn im Betrieb, Fortsetzung privat) fallen Beiträge an, je nach Vertrags­konstruktion bleiben ausnahms­weise Teile der Rente beitrags­frei.

Wie wird die Berufs­unfähigkeits­rente besteuert?

Meist zählt die Berufs­unfähigkeits­rente zu den steuer­pflichtigen Einnahmen. Wie hoch die Besteuerung ausfällt, hängt nicht nur vom persönlichen Steu­ersatz ab, sondern auch aus welcher Quelle die Rente fließt. Zahlungen aus privaten Berufs­unfähigkeits- und Erwerbs­unfähigkeits­versicherungen sind sogenannte abge­kürzte Leib­renten. Sie werden mit einem Ertrags­anteil versteuert. Die Höhe des Prozent­satzes hängt von der Rentendauer ab. Je kürzer die Rentendauer ist, desto geringer ist der Anteil der Rente, der zu den steuer­pflichtigen Einkünften hinzuzuzählen ist (Lauf­zeit 5/10/15/20 Jahre: steuer­pflichtige Ertrags­anteile 5/12/16/21 Prozent). Liegt der Berufs­unfähige mit seinem zu versteuernden (Gesamt-) Einkommen insgesamt unter dem steuerfreien Existenz­minimum (2015: 8 472 Euro), bleiben auch die Zahlungen aus der Berufs­unfähigkeits­rente steuerfrei.

Führen zusätzliche Einnahmen oder geringere Abzüge zu einem höheren zu versteuernden Einkommen, wird der Ertrags­anteil der Rente mit dem gleichen Steu­ersatz versteuert, der für den Rest des Einkommens gilt. Betriebliche Berufs­unfähigkeits­renten aus nicht steuerlich begüns­tigten Beiträgen wie etwa für Direkt­versicherungen mit pauschal oder normal besteuerten Beiträgen sind wie private Berufs­unfähigkeits­renten zu besteuern. Leistungen aus der gesetzlichen Renten­versicherung sind seit 2005 steuer­pflichtig. Für jeden neuen Renten­jahr­gang seit 2005 steigt der zu versteuernde Anteil um 2 Prozent im Jahr. Wer 2015 erwerbs­gemindert wird, muss 70 Prozent seiner Erwerbs­minderungs­rente versteuern, 2016 sind es für Neurentner 72 Prozent, 2017 werden es 74 Prozent sein. Berufs­unfähigkeits­renten aus Rürup-Versicherungen unterliegen der gleichen Besteuerungs­regel. Berufs­unfähigkeits­renten aus der betrieblichen Alters­vorsorge, deren Beiträge steuerfrei sind, sind voll zu versteuern. Erhalten Beamte aufgrund einer Dienst­unfähigkeit eine Pension, wird diese bis zum 63. Geburts­tag wie Arbeits­lohn versteuert.

Bekomme ich noch Arbeits­losengeld II oder Sozial­hilfe, wenn ich eine Berufs­unfähigkeits­rente erhalte? Lohnt sich denn der Abschluss eines Vertrags, wenn ich dann keine Sozial­leistungen bekomme?

Sowohl bei den Hartz-IV-Leistungen als auch bei der ergänzenden Sozial­hilfe handelt es sich um Sozial­leistungen, für die eine Bedürftig­keits­prüfung vorgenommen wird. Die Behörde prüft also, ob der Antrag­steller seinen Lebens­unterhalt ohne Unterstüt­zung bestreiten kann. Dabei bezieht sie Leistungen aus privaten Versicherungen in ihre Prüfung mit ein. Kann jemand mithilfe der privaten Berufs­unfähigkeits­rente seinen Lebens­unterhalt ganz oder teil­weise selbst bestreiten, führt das zur Kürzung oder zum Ausschluss der Ansprüche auf Arbeits­losengeld II oder ergänzende Sozial­hilfe.

Der Abschluss einer Berufs­unfähigkeits­rente in Höhe von 500 Euro macht nur Sinn, wenn der Versicherte einen Vertrag mit guten Nach­versicherungs­bedingungen abge­schlossen hat und sich damit die Möglich­keit der Aufstockung der Berufs­unfähigkeits­rente später sichert, wenn er einmal mehr Geld verdient. Zur lang­fristigen Absicherung ist eine sehr nied­rige Berufs­unfähigkeits­rente unsinnig, weil die staatlichen Leistungen zur Existenz­sicherung darüber liegen.

Vielen Dank an die Stiftung Warentest